Gen-Raps in Thüringen

Über Gentechnik in unseren Lebensmitteln machen wir uns am Frühstückstisch wenig Sorgen, denn ihr Anbau ist in Deutschland verboten. Selbst wenn in der EU bestimmte gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zugelassen werden, können sich die einzelnen Länder auf die Opt-Out-Methode berufen und selbst entscheiden, ob sie diese ebenfalls zulassen möchten. Im Dezember 2018 las man in der Presse allerdings von gentechnisch verändertem Raps aus Frankreich, der auch hierzulande fälschlicherweise auf die Felder ausgebracht wurde. 598 Säcke einer verunreinigten Partie Winterraps der Monsantomarke Dekalb waren in insgesamt zehn Bundesländer verkauft worden.

 

Aber sonst ist alles sicher? Von wegen! Derzeit dürfen etwa 70 GVO-Pflanzen in die EU eingeführt werden. 12 neue Sorten stehen in den Startlöchern und warten auf grünes Licht aus der EU-Kommission. Darunter befinden sich auch Maissorten, die sechs eigene Pflanzengifte produzieren und so Fraßfeinden zu Leibe rücken. Diese Sorten können außerdem eine Vielzahl verschiedener Spritzmittel überleben. Die Wechselwirkung dieser Gifte auf andere Organismen – z.B. den menschlichen – sind noch unklar. Klar ist aber: GVO-Pflanzen befeuern die Ausbringung von Ackergiften und gefährden damit die natürliche Fauna und Flora, auch die Bienen. Außerdem können sie sich unkontrolliert mit anderen Pflanzen kreuzen. Eine Verbreitung des veränderten Saatgutes ist damit nicht mehr zu stoppen. „Während sich das politische Brüssel nach der Wahl neu sortiert, darf die Verwaltung bei der Gentechnikzulassung nicht vollendete Tatsachen schaffen“, mahnt Haerlin, der vor vielen Jahren grüner Abgeordneter im Europäischen Parlament war.

 

Dass die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht nur abhängig von der EU, sondern auch abhängig von ihren Mitgliedsländern sind, zeigt der Vorfall im Dezember. Der Thüringer Ökoherz e.V. stellte daraufhin eine Anfrage an das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft: War auch in Thüringen GV-Raps ausgebracht worden? Der Brief blieb unbeantwortet. Im März nahmen wir noch einmal Kontakt auf. Uns wurde mitgeteilt, dass dies nicht im Verantwortungsbereich des TMIL liege, man sich aber beim Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) erkundigen würde. Nach erneuter Nachfrage im Mai wurde uns schließlich ein Schreiben weitergeleitet, aus dem hervorging: Auch in Thüringen kam das verunreinigte Saatgut aus Frankreich auf die Felder. Auf vier Betrieben wurde das Saatgut von Monsanto ausgebracht – Leidtragende sind die Landwirte, denn sie mussten die Felder vorzeitig umpflügen und dürfen dort bis Juli 2020 keinen Raps mehr anbauen. Jeglicher Aufwuchs muss bis dahin vernichtet werden. Allerdings: Rapssaatgut kann bis zu 20 Jahre keimfähig in der Erde überdauern. Die Einjahresfrist ist also zu knapp bemessen, um den Aufwuchs des Saatgutes ausschließen zu können.

 

Zwar wurden laut des TMUEN alle Pflanzen vor der Blüte beseitigt, sodass eine Verbreitung des veränderten Genmaterials vorerst verhindert werden konnte, trotzdem erhielt der Thüringer Ökoherz e.V. und damit die Thüringer Öffentlichkeit die Antwort erst nach der Rapsblüte – viel zu spät Maßnahmen ergreifen zu können. Auch besteht im Nachhinein keine Möglichkeit mehr zu kontrollieren, ob tatsächlich alle Rapspflanzen vernichtet wurden.

 

Auf Europaebene werden die Weichen am 5. Juni gestellt: Sollten sich die Mitgliedsländer der EU dann nicht gegen eine Import-Zulassung aussprechen, hätte die scheidende EU-Kommission rechtlich noch die Möglichkeit, die Gentech-Pflanzen durchzuwinken. Dass in Zukunft keine Verunreinigungen mehr stattfinden, kann kaum verhindert werden. Die Verwendung von hofeigenem Saatgut wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Dass Anfragen zu diesem Thema im Sinne der Thüringer Bevölkerung zeitnah beantwortet werden, sollte allerdings zur Selbstverständlichkeit werden.

 

Wer sich beim Thema Gentechnik unsicher ist, der sollte auf biologisch erzeugte Lebensmittel zurückgreifen: Hier ist der Einsatz von Gentechnik auf allen Ebenen (auch im Futtermittel) verboten, egal aus welchem Land die Produkte stammen.