Ein Kommentar zu den Auswirkungen des Ukrainekrieges auf die Lebensmittelversorgung und die Landwirtschaft

Der Krieg in der Ukraine sorgt für Verunsicherung, auch was die Lebensmittelversorgung und die Landwirtschaft betrifft.

Unsere Agrarministerin Susanna Karawanskij betont, dass die Lebensmittelversorgung in Thüringen gesichert ist. Sie spricht jedoch auch über höhere Preise bei Lebensmitteln durch steigende Produktionskosten. Sehr deutlich fordert sie ein bundesweites Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung. Gerade jetzt ist es nicht hinnehmbar, dass in Deutschland jährlich 18 Millionen Tonnen Nahrung in den Müll geworfen wird. Das Statement der Ministerin zu den erwarteten Folgen des Ukrainekrieges auf die Nahrungsversorgung und die Preisentwicklung in Thüringen können Sie >>hier nachlesen.

Stichwort Getreide: Wie lässt sich die weltweite Versorgung auch jetzt noch sicherstellen? Und was können wir dafür tun? Cem Özdemir appelliert an die Verbraucher*innen, den Fleischkonsum einzuschränken, damit weniger Getreide als Tierfutter verwendet wird und mehr auf den Tellern landen kann. Der BÖLW geht noch weiter und fordert von Cem Özdemir ein EU-Sofortprogramm zur Abstockung der Tierbestände, um die Lebensmittelversorgung zu sichern, da in der EU bisher 60 Prozent der Getreideernte an Tiere verfüttert wird. Schätzungen besagen „dass der Einbruch der ukrainischen Getreide- und Ölsaatenexporte durch eine Verringerung des Getreideverbrauchs in der EU zur Fütterung der Viehbestände um etwa ein Drittel ausgeglichen werden könnte.“  Zur Pressemeldung gelangen Sie >>hier. Wir wünschen uns in diesem Zuge mehr flächengebundene Tierhaltung, die von einer betriebseigenen Futterversorgung und Weidehaltung lebt. Zu bedenken ist auch, dass von dem erzeugten Getreide, welches in die Futtertröge wandert, ein großer Anteil momentan Gerste ist, die nicht für Brot verwendet werden kann. Das liegt an den aktuellen Fruchtfolgen, die umgestellt werden können, aber nicht vollumfänglich kurzfristig in diesem Jahr, z.B. aufgrund der Frage nach der Verfügbarkeit von Saatgut.
Der Thüringer Bauernverband äußert sich anlässlich der Agrarministerkonferenz: „Während weltweit immer mehr Stimmen vor einer Nahrungskrise warnen, wollen wir hierzulande 4 % der Flächen stilllegen. Das ist angesichts der Krise nicht zu rechtfertigen. Vielmehr müssen wir jetzt das vorhandene Potenzial für die Lebensmittelversorgung vollständig nutzen.“  Wir, als Dachverband und Förderverein des ökologischen Landbaus in Thüringen, stimmen dieser Position nicht zu. Teile der benannten Flächen sind Landschaftselemente wie Hecken und Blühstreifen und diese sind sehr wichtig für den Schutz der Artenvielfalt. Außerdem handelt es sich bei den betroffenen Brachflächen überwiegend um Grenzertragsböden, die nicht für eine intensive Produktion geeignet sind. (1) Auch wenn der Ukrainekrieg zu Recht im Mittelpunkt steht, darf nicht vergessen werden, dass wir uns in einer Situation mit verschiedenen Krisen befinden und die Bekämpfung von Klimakrise und Artensterben keinen Aufschub mehr erlaubt.
Der Thüringer Bauernverband verlangt zudem eine Sicherstellung der Produktion von Stickstoffdünger in Europa sowie eine Senkung der Produktionskosten. Es sollte jedoch auch jetzt nicht darum gehen, mehr, sondern weniger mineralischen Stickstoffdünger einzusetzen und dies ist nur möglich, indem wir in den Fruchtfolgen zum Beispiel Leguminosen anbauen. Ökologische Landwirtschaft ist die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit und nicht eine intensivere konventionelle Landwirtschaft. (2)
Einen wichtigen Punkt möchten wir am Ende noch erwähnen – die Agrokraftstofferzeugung. Viele Wissenschaftler*innen empfehlen, EU-weit den Beimischungsanteil von Biokraftstoffen herunterzusetzen, um Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln frei zu bekommen – also weniger Produktion für den Tank und mehr für die Teller!

>>Hier äußert sich der BÖLW außerdem zur Agrarministerkonferenz in Sachsen-Anhalt und legt seine Positionen zu den Kriegsfolgen, der GAP sowie zur Zukunft der Tierhaltung dar.

 

(1) Vgl.: Martin Häusling: Pressemitteilung Ukraine-Krieg und Weizen-Anbau. Brüssel 29.03.2022.
(2) Vgl.: Martin Häusling: Pressemitteilung Ukraine-Krieg: Weizen für Brot, statt Weizen in den Trog. Straßburg 07.03.2022.